Objekt des Monats
August 2017
Apochromat - das neue Fernrohr

 
 

Warum statt einem 60 cm Spiegelteleskop ein neues Fernrohr?
Nach 8 Jahren erfolgreichen Beobachtungseinsatz des großen Spiegelteleskop (Cassegrain mit 600mmm Öffnung) haben sich prinzipielle Vorzüge und Schwächen des verwendeten Teleskoptyps gezeigt.
Obwohl die Optik inklusive der Opto-Mechanik die Technologie voll ausgereizt hat, zeigte sich, daß die Bilder durch Luftturbulenzen erheblich gestört sind.
Ursache ist vor allem der große Spiegel und der offene Teleskop-Tubus.
In einer klaren Beobachtungsnacht kühlt sich die Luft recht rasch um einige Grad Celsius ab. Dabei erniedrigt sich die Spiegeltemperatur durch die große Spiegelmasse weniger als die Umgebung, und daher wirkt der Spiegel als „Kochplatte“, die warme Luftschlieren erzeugt. Diese führen zu unscharfen Bildern.

 
 
das bisherige 60cm Spiegelteleskop 

Eine weitere Schwäche ist der offene Tubus, durch den die Luftunruhe in der Kuppel voll zu tragen kommt. Diese ist besonders stark, wenn viele Besucher anwesend sind, da jede Person mit ca 80 Watt die Luft aufwärmt.
Das offene Tubus Design wurde einem  Rohr vorgezogen, da dieses Rohr wie ein Kamin über der „Spiegel-Kochplatte“ wirken würde und zu noch deutlich stärkeren Luftturbulenzen führt.

In den 8 Jahren in dem das jetzige Spiegelteleskop in Betrieb war, konnte es nur in wenigen Nächten seine Bildschärfe voll zeigen. Wegen zu starker Luftunruhe musste es oft abgeblendet werden.

Vorteile – Nachteile: SpiegelteleskopApochromat 

  Spiegel 60cm Apo 28cm
Luftunruhe in der Kuppel (Kuppelseeing) - +
Luftunruhe im Fernrohrtubus (Tubusseeing) - +
Gesammelte Lichtmenge + -
Vergrößerung in der Praxis - +
Gesichtsfeld - +
Farbkorrektur + +

Die Tabelle zeigt deutlich, dass bis auf die gesammelte Lichtmenge der Apo-Refraktor dem Spiegelteleskop in allen Punkten überlegen oder mindestens gleichwertig ist.


 
 

Aus diesen Gründen habe wir beschlossen einen Refraktor wieder zu installieren.  
Der neue Refraktor hat ein ausgezeichnet farbkorrgiertes russisches Objektiv mit 28 cm Öffnung und wird in Kombination mit der besseren Luftruhe viel schärfer und kontrastreichere Bilder vom Mond und den Planeten liefern.
Wir mussten 6 Jahre warten bis das Objektiv geliefert wurde und nach einem Jahr Bauzeit ist das komplette Teleskop einsatzbereit.
Das neue Teleskop ist ein Refraktor (Linsenteleskop) mit einem voll geschlossenem Tubus, bei dem sich die Linse in der Nähe der Kuppelöffnung befindet.
Damit werden die Luftturbulenzen in der Kuppel ausgeschlossen. Gleichzeitig ist bekannt, daß in einem geschlossenen Tubus eines Linsenteleskops, bei dem die Optik den Tubus oben abschließt, die Luftruhe hervorragend ist.
Die Teleskopbrennweite von 2800 mm liefert in Verbindung mit unseren Okularen ein doppelt so großes Gesichtsfeld im Vergleich zum bisherigen Teleskop von 7225 mm Brennweite.Damit lassen sich jetzt Objekte wie der Orionnebel, die Plejaden oder der Doppelsternhaufen h+Chi in seiner vollen Gesamtheit zeigen.
Natürlich gibt es auch Nachteile gegenüber dem ursprünglichen Teleskop. Die bessere Bildschärfe wird erkauft durch eine um den Faktor 4 geringere Lichtsammel-Leistung. Diese kommt nur bei sehr schwachen Objekten zum Tragen und macht sich bei Objekten, die bei der Führung gezeigt werden kaum bemerkbar.  

Das Objektiv eines Linsenfernrohrs erzeugt eine Abbildung durch Berechung des Lichts. Die Lichtbrechung ist Wellenlängen abhängig. Das heißt, die Brennweite ändert sich mit der Wellenlänge, also mit der Farbe des Lichts. Oder anders ausgedrückt, das Blaue Bild liegt nicht über dem Roten Bild des Objekts. Das Bild bekommt Farbsäume und wird verwaschen, unscharf.  
Um nur zwei Farben zu korrigieren sind auch nur zwei Linsen erforderlich. Wir haben einen Achromat mit zwei Linsen. Sollen mehr Farben korrigiert, also ihre Bilder zur Deckung gebracht werden, sind mehr Linsen notwendig.
Wir benötigen einen Apochromaten
Die Objektive der Refraktoren der Sternwarte Eberfing haben einen ähnlichen Entwicklungsweg durchlaufen.  

 
 
Objektiv Aufbau
Kronglas rot
Flintglas blau
Spot-Diagramm:
Der schwarze Kreis gibt die theoretische Größe des Beugungsscheibchens aufgrund der Fernrohröffnung an. (Airy Disk)  
 

Zunächst kam ein Achromat von Lichtenknecker zum Einsatz, das Objektiv ist vom Typ Fraunhofer.

Dieses Objektiv wurde durch ein Zeiss AS-Objektiv ersetzt, das von Sonnenbühl berechnet wurde und wobei gegenüber dem Fraunhofer das Flintglas das erste Objektivglas ist.

 
 

Von 2009 bis zum Abbau des Teleskops wurde ein B-Objektiv verwendet. Dieses Triplett besteht aus zwei Flint- und eine Kronglas Linse. Es ist sehr anspruchsvoll durch die großen Krümmungen der Glasflächen und damit empfindlich bezüglich achsialen und radialen Positionen der Gläser. Mit der erforderlichen Genauigkeit von ca 5 Mikrometer ist die Objektivfassung extrem anspruchsvoll. 

 
 
 
 

Das Objektiv des neue Refraktor ist ebenfalls ein Apochromat. Durch die neuen niedrig dispersiven Glassorten kann jetzt das Design des Objektivs viel entspannter sein. Die Krümmungsradien sind viel größer und damit wird das Objektiv viel toleranter bezüglich der achsialen und radialen Justage der Linsen.

 
 
 
  Die drei Linsen zusammen mit der Objektivfassung bringen 25 kg auf die Waage.  Durch dieses große Gewicht biegt sich das Tubusrohr durch, was zu einer Bildverschiebung führt. Um dies zu vermeiden, sind Ausgleichsgewichte angebracht, die das Objektivgewicht kompensieren und die zusammen 160 kg wiegen. Somit wiegt das gesamte Fernrohr mit dem Montierungsadapter 313 kg also ca 100kg weniger als der Vorgänger. 
 
 

Da noch kein Foto vom neuen Teleskop existiert, hier eine Konstruktionszeichnung.